Algerien - Ägypten
3 - 1

 

07.06.09 , Anstoß 20:30 , Stade Moustapha Tchaker, Blida
WM-Qualifikation 2010

 

Es war mal wieder Zeit für einen neuen Länderpunkt.
Mit dem WM-Qualifikationsspiel Algerien v Ägypten stand ein absolutes Topspiel auf dem Plan und der Lufthansa-Flug Frankfurt-Algier-Frankfurt lag bei gerade mal 280 Euro. Die Flugbestätigung wurde zusammen mit dem Visa-Formular, einer Kopie der Kreditkarte, der letzten KK-Abrechnung, einem Passfoto sowie einer Hotelbestätigung dem einzigen Mitflieger Nils zugeschickt, welcher die Dokumente an das algerische Konsulat in Bonn weiterleitete. Bis 3 Tage vorm Abflug hatte man vom Konsulat nichts mehr gehört und machte man sich so seine Sorgen obs denn noch klappen würde.
Also mal dort angerufen:
Achja, hallo. Ihre Visaanträge werden bald bearbeitet.!
Bald bearbeitet? Merkst du es noch? Der Flug ist in 3 Tagen!!
Oh ja, mache ich jetzt sofort fertig. Aber zuschicken schaffe ich nicht mehr. Ihr müsst die Pässe hier abholen. Aufgrund von Nils´ Wohnort jetzt nicht so dramatisch, aber trotzdem ne Frechheit. Ohne unseren Anruf hätten die unsere Visas auf jeden Fall vergessen.
Nach Erhalt der Pässe inkl. Visum wurde erstmal direkt das bereits gebuchte teure Hotel der Gruppe Accor kostenfrei storniert. Vor Ort gibt’s ja bestimmt was billigeres.
Am Samstag morgen dann Kollege Nils in Hagen eingesammelt und zum Frankfurter Flughafen gebrettert. Abflug Frankfurt 10h20. Ankunft Algier 12h00. Die Einreise erfolgte problemlos und der erste Gang führte zur Changebude. (1 Euro = 100 Dinar (DZ)).
Die lokale Taximafia links liegen gelassen ging es auf die Suche nach dem Busbahnhof, welcher etwa 500 m vom Flughafen entfernt liegt. Draussen schon ganz gute Hitze. Am Busbahnhof war dann gar nix los und ein Einheimischer erklärte uns dass in der nächsten Zeit hier nix Richtung Stadt fahren würde. Also gingen die Verhandlungen mit einem Taximokel los. Man einigte sich auf 600 DZ für die ca. 15 km bis in die Stadt. Strassen fett mehrspurig, Verkehr im Rahmen, an jeder Abbiegung Polizei. Man hat hier wohl Angst vor Anschlägen, vor kurzem war ja auch erst einer etwa 50km östlich.
An der Grande Poste rausgeschmissen worden und erstmal die Gegend inspiziert. Die City macht einen recht gepflegten Eindruck. Hübsche Plätze und diverse Monumente, Einkaufszonen. Ne ganze Ecke netter uns sauberer hier als vergleichbare Städte wie Tunis oder Kairo. Bei den ersten beiden nicht so toll ausschauenden Hotels die Abschiebung bekommen da voll und in der dritten Butze dann eingecheckt. 3850 DZ fürs Doppelzimmer Sind zwar für ne billige Unterkunft in Algier fast noch zu viel aber bei nur einer Nacht braucht man ja auch nicht stundenlang rumsuchen um 3 Euro zu sparen. Schnell nen bischen frisch gemacht gings weiter auf Stadterkundung. Ich kann mich nur wiederholen. Top Stadt. Hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Mal runter zum Hafen geschlendert und die Aussicht genossen bevor wir zu unserer Verwunderung eine kleine Kneipe ausmachten. Wie waren eigentlich davon ausgegangen dass es Alkohol hier nur in teuren Hotelbars geben würde. Drinnen in der recht asozialen Bölkbude waren wir natürlich schnell ne Attraktion. Schliesslich verirren sich nur sehr selten Touristen nach Algerien. Ehrlich gesagt haben wir auf der ganzen Tour keinen Europäer gesehen. Aus einem Bier wurden 6 (Flasche 0,33l = 150 DZ), ein älterer Herr erhob den rechten Arm und liess einen einschlägig Bekannten deutschen Diktator hoch leben, nette Unterhaltung in schlechtem Französisch über den Fussball in Algerien und Deutschland. Die Zeit verging wie im Fluge. So langsam musste was zu essen hier, also in einer kleinen Pizzeria eine grosse Pizza für 350 DZ eingeworfen und danach noch nen Stündchen ins Internetcafe gegangen. Direkt gegenüber von unserem Hotel orteten wir dann einen Alkoholladen. Das wird ja immer besser. Also mal nen paar Büchsen erstanden, welche vom Verkäufer ordnungsgemäß in Zeitungspapier eingerollt werden, damit man sie auch in der Öffentlichkeit verzehren kann. (zumindest den Inhalt ;)) Man liess sich auf einer Bank an der Promenade nieder und trank die eingepackten Biere. Wie in diesen amerikanischen Filmen. Schon jetzt war permanentes Hupkonzert angesagt. Aus jedem Auto oder Bus hingen Leute mit Algerien-Fahnen und lärmten. Da es so viele waren kam uns das irgendwann etwas komisch vor, stellte sich blöd und fragte einen Einheimischen Mal was denn hier los ist. Ah, morgen Fussball. Die bereiten sich schon alle vor. Aha. Wir hatten schon fast geglaubt das Spiel wäre heute schon gewesen und die Gastgeber hätten haushoch gewonnen. Gegen 23h war die Bettschwere erreicht und es ging zurück zum Hotel.
Bis 9h geschlafen bekam man vom etwas früher aufgestandenen Nils schon die Infos über die Zugabfahrt nach Blida. 14h20 geht’s los. Alles klar. Perfekt. Die Zeit bis dahin wollte gut genutzt werden und so spazierte man erneut durch die City zur Kasbah (Altstadt) . Was soll man dazu gross erzählen. Wer einmal in so einer Medina gewesen ist kennt sie alle. Enge Gassen, tausende die Rumschreien und ihren Mist verkaufen wollen. Ganz nett doch mit der Zeit recht nervig. Positiv hier allerdings dass man nicht von jedem angelabert und in die Läden gezogen wird, wie bspw. in Tunesien, Ägypten oder der Türkei.
Weiter gings runter zum Ufer und entlang der Promende bis man vom Militär verscheucht wurde. Wir hatten uns wohl zu sehr ihrem Stützpunkt genähert. Nach dem verzehr eines Schnitzels und kalten Pommes gings es noch mal auf ein paar Bier auf unsere liebgewonnene Parkbank ehe man gegen 14h den nahegelegenen Bahnhof aufsuchte. Ticketbeschaffung war kein Problem. 14h20 Gleis 4. Fahrtzeit nach Blida 50 min. (80 DZ). Der Zug dann ähnlich unserer Regionalbahnen, dafür klimatisiert aber ohne Toiletten was aufgrund des vorherigen Bierkonsums nicht so toll war. Unterwegs schon etwas gewundert dass kaum Fussballfans im Zug waren aber nichts weiter bei gedacht. Werden wohl alle mit Minibussen und Autos fahren um besser hupen zu können.
Ankunft Blida HBF 15h10. Stadion nur etwa 2 km von dort entfernt und daher entschlossen aufgrund der frühen Uhrzeit bei guter Hitze zu Fuss zu gehen. Entlang eines Parks, welcher nicht zugemüllter sein könnte liess man sich noch kurz auf ein Kaffee und ein Eis nieder. Eigentlich wollten wir noch was Essen, entschieden uns dann aber doch schon mal am Stadion zu schauen. Vielleicht wäre ja schon irgendein Offizieller vor Ort welcher uns bzgl. unserer Ticketanfrage helfen könne.
An der ersten Strassensperre standen hunderte von Leuten die Eintrittskarten ind er Hand hatten aber von der Polizei nicht durchgelassen wurden. Auch wir wurden aufgehalten. Der Polizist meinte nur. No. Stadion komplett ! Unfassbar. 4,5 Stunden vor Anstoss war das Stadion schon proppevoll und die Tore zugeschlossen. Aufgrund unserer Ausweise durchgelassen worden um wenig später in die nächste Sperre zu gelangen. Hier waren die Cops noch etwas unfreundlicher und liefen knüppelschwingend in die Menge um die Leute zurück zu drängen. Hände hoch gehoben und Press gerufen wurde man in Ruhe gelassen und durfte passieren. An der dritten Absperrung wurden wir dann ausgiebig durchsucht und zum VIP-Eingang geschickt. Dieser war noch geöffnet. Auch hier Chaos pur, Gedränge und Geschiebe und selbst hier wurden die Knüppel rausgeholt. Unfassbar, was sich hier abspielte. Endlich drinnen nahm uns sofort ein ganz wichtiger zur Brust welcher mit unserer Akkreditierung überhaupt nicht einverstanden war und uns am liebsten wieder rausgeschmissen hätte. Schliesslich bis ins Presse-Büro vorgedrungen. Und was gabs hier? Natürlich, Chaos. Bei etlichen Journalisten war wohl was schief gegangen. Man hing nun hier so rum. Eine englisch-sprechende Radioreporterin half uns ein wenig und zeigte uns an wen wir uns wenden sollten etc. Nach 2 Stunden tat sich dann endlich was. Einer der Offiziellen wollte hoch auf die Tribüne um zu schauen ob er uns noch irgendwo unterbringen könnte, sagte aber gleich dass es schlecht aussehen würde. Er kam natürlich in den nächsten 20 Minuten nicht wieder und wir machten uns aus dem Staub Richtung Hintertortribüne. Durch ein grosses Tor wurde man problemlos durchgelassen, gerade in dem Moment als der Mannschaftsbus der Algerier ins Stadion fuhr. Jetzt war natürlich jeder abgelenkt und schon waren wir auf dem Außenbereich der Haupttribüne. Hier natürlich alles total überfüllt, wahrlich nichts für Leute mit Platzangst. Bis ganz nach oben unters Dach durchgekämpft hatte man dann endlich einen Platz gefunden wo man halbwegs stehen konnte. Jemand neben uns erzählte uns dass er bereits seit 13h hier sei. Na gut, hier im Stadion wohl noch auszuhalten, aber die Leute auf den anderen 3 Seiten standen seitdem in der prallen Sonne. Noch immer 2 Stunden bis zum Kick off. Die Gastgeber sangen sich schon mal ein und draußen begann eine Straßenschlacht. Immer wieder versuchten Gruppen zum Stadion vorzudringen, wurden aber letztendlich von der Polizei wieder zurück getrieben. Wer es bis zum Stadion geschafft hatte versuchte eines der Tore aufzudrücken. Sah teilweise ziemlich witzig aus wie die Security von innen mit vereinten Kräften gegen die Tore drückten um keinen hereinzulassen. Absperrgitter und Steine flogen durch die Luft. Letztere wurden von den Cops teilweise zurück in die Menge geworfen. Dieses hin- und her, auf welches man aufgrund unseres Standpunktes auf der Tribüne perfekte Sicht hatte zog sich selbst bis nach Spielbeginn hin. Zwischenzeitlich musste ein Abschleppwagen Richtung Stadion. Im Nu war die Ladefläche voll mit Leuten, die dachten so an der Polizeikette vorbeizukommen. Die Bullen knüppelten und zogen die Leute während der Fahrt runter. Richtig krasse Szenen. In der Halbzeitpause verliessen dann fast alle Polizisten das Stadion um die Meute nun endgültig zu vertreiben. Die ganze Strasse runter rannten sie denen hinterher bis man sie nicht mehr sah. Irgendwie sah dass hier aus als würde es gar keine Polizei-Einheiten geben sondern jeder Behelmte auf eigene Faust handeln.
Wahrscheinlich gabs in den Polizeirevieren einen Aushang a´la:
An alle Polizisten, am Sonntag um 12h am Stadion sein. Knüppel mitbringen!
Zu Spielbeginn geniale Atmosphäre im Stadion. Zur Nationalhymne wurden fast alle Zuschauer durch unzählige kleine, hochgehaltene Algerienfahnen abgedeckt, danach wurden etliche Bengalos entzündet. Wer keins dabei hatte steckte halt eine Zeitung an und hielt sie hoch. Megakrank. Die erste Halbzeit brachte Ernüchterung. Kaum Support mehr und auf dem Rasen verlief ein ziemlich schlechter Kick mit kaum Torchancen. Wie so oft bei Topspielen verflacht ja die Stimmung nach dem Intro. So auch hier. Doch mit der 2. Halbzeit wurde alles anders. Algerien scorte innerhalb weniger Minuten gleich zweimal und das Stadion tobte. Ekstatischer Torpogo und wieder wurde der Ground in bengalorot und brennenden Zeitungen gehüllt. Danach die Stimmung absolut top. Gänsehaut wenn alle einstimmten und hüpften. Die ca. 250 angereisten Ägypter im Nebenblock waren freilich fast nie akustisch auszumachen. Mit dem 3-0 fielen dann auch bei den restlichen Zuschauern die Anspannung und alles rastete total aus. Endlich einmal eine Atmosphäre bei einem Topspiel wie man sich sie immer wünscht. Während der Nachspielzeit, in welcher der Anschlusstreffer für die Ägypter fiel, versuchte man sich schonmal nach unten durchzukämpfen. Viel mehr Platz dürften die Opfer der Hillsborough-Tragödie auch nicht gehabt haben. Ich für meinen Teil war heilfroh endlich aus dem Block gekommen zu sein.
Jetzt galt es schnellstmöglich ein Taxi zu bekommen, da unser Flieger gen Heimat ja bereits in weniger als 4 Stunden in Algier abheben würde. Draussen alles noch chaotischer als vor dem Spiel. Autokorsos ohne Ende. Es ging nix. Bengalos und sogar Flammenwerfer (!) wurden aus Autos und Bullis gehalten. Alles tanzte auf den Straßen und Autodächern. Wie soll man hier bloss weg kommen. Erstmal schnellen Schrittes Richtung Bahnhof aber unterwegs gerade mal ein Taxi gesehen, wessen Fahrer aber unter keinen Umständen mehr hier fahren wollte. Nen Einheimsicher bestätigte uns zudem dass heute Abend keine Züge mehr nach Algier fahren würden. Shit. Zurück zum Stadion da dort auch die Ausfallstrasse Richtung Norden verläuft und diverse Leute angequatscht ob sie nach Algier fahren und uns mitnehmen könnten. Aber wieder Fehlanzeige. Während Nils das alles noch recht locker sah, hatte ich den Flieger schon mehr oder weniger abgeschrieben. Letzte Idee: Auch wenn ich das nicht gerne mache. Die Polizei wurde angequatscht und um Hilfe gebeten. Nachdem wir denen unsere Flugbestätigung gezeigt hatten verstanden die auch den Grund unserer Hektik und nahmen sich unserer an. Ihre Einheit würde um 0h zurück nach Algier fahren und könnte uns mitnehmen. Na wenigstens schon mal etwas, wenn auch vielleicht etwas zu spät. Er hielt daraufhin aber noch etliche Fahrzeuge für uns an und besorgte uns letztenendes eine Mitfahrgelegenheit bei einem Journalisten und seinem Fahrer. Letzterer gab auch gut Gas und im Nu war man auf der wenig befahrenen Autobahn. Selbst bei hohem Tempo hingen hier Leute aus den Fenstern der Autos oder aus den Kofferräumen. Unterwegs überholte uns zudem ein völlig durchgeknallter Motorradfahrer der einer Geschwindigkeit von über 150 km/h einen Wheelie über mehrere Hundert Meter machte. Der Journalist wurde bei sich zu Hause abgesetzt, der Fahrer kaufte sich an einem kleinen Shop noch schnell ein paar Böller und weiter gings zum Airport. Puh, alles geklappt. Nett bedankt, und entgegen seinem Willen ihm 1000 DZ für seine Dienstleistung überlassen.
Die Zeit bis zum Abflug wurde dann damit verbracht endlich was zu essen und zu trinken.
Abflug Algier 2h35. Ankunft Frankfurt 6h00.
Den Wagen auf die kostengünstigste Art und Weise aus dem Parkhaus befreit, Nils direkt bei seiner Schule in Wuppertal rausgelassen und zu Hause totmüde ins Bett gefallen.
Alles in allem eine sehr geiler Kurztrip. Es wird definitiv einen zweiten Besuch in Algerien geben wenn das grosse Stadtderby auf dem Plan steht.

Bis ich meine Videos bearbeitet habe, hier schonmal 2 Videos vorab: