Shbab Alkhaleel - Markaz Askar
2 - 1
16.01.09 , Anstoß 16:00 , Faisal Al-Husseini Stadium, Ram
1. Liga Palästina
Bereits im Dezember, noch vorm Ausbruch des Krieges in Israel bzw. des Konfliktes im Gaza-Streifen hatte man den Flug nach Israel gebucht.
Jetzt war guter Rat teuer. Der Spieltag vom vergangenen Wochenende war komplett abgesetzt worden und wann wieder gespielt würde war zunächst
auch unklar. Czech Airlines hätte zudem nur 49 Euro pro Person (von 250 Euro pro Person) im Stornofall wieder rausgerückt.
Wenige Tage vor Abflug kam dann die Gewissheit das der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird. So wurde am Donnerstag Nachmittag der einzige Mitfahrer
Westi um 15h abgeohlt und gen Düsseldorf aufgebrochen. Der Flieger sollte um 19h15 starten, also ausreichend Zeit bei 150 km Anreise, sollte man meinen.
Doch um ein Haar hätte man den Flieger verpasst. Vollsperrung auf der A2. Das ganze zog sich ewig hin. Nur unter Zurhilfenahme des Standstreifens konnte das ganze im zeitlichen Rahmen gehalten werden. Auf der A40 dann nochmal 8km bei Bochum. Wieder tat sich nix. Anschlussstelle BO-Freudenbergstrasse
dann runter mit der Gewissheit dass man den Flieger unmöglich mehr erreichen konnte. Quer durch Bochum nach Herne, rauf auf die A42, dann A3, A52, A44. Das ganze
bei Tempo 190. Die Karre mit Warnblinklicht direkt vors Terminal gefahren und reingesprintet. Schalter war grad noch geöffnet. Haben sie gar kein Gepäck
oder ne Jacke? Doch, noch im Auto. Wenn sie noch nicht geparkt haben kann ich ihnen kein Flugticket geben. Jetzt machen se mal. Sonst verpassen wir den Flieger.
OK. Wir werden Sie aber nicht aufrufen. Passt schon. Karre auf dem Kurzzeitparkplatz abgestellt und durch die Sicherheitsschleuse gelaufen und grad noch mitgekommen.
Puh. So knapp war es noch nie. Mal wieder 10 Jahre älter geworden.
Nach einstündigem Flug in Prag angekommen und auf den Stress des Nachmittags erstmal nen grosses Pivo im Flughafen-Pub gegönnt.
2 Stunden später gings mit der gleichen Airline dann weiter nach Tel-Aviv. Ankunft 3h30. Hier hatte man sich nun auf stundenlanges Frage- und Antwortspiel
eingestellt wie von anderen Leuten schon gehört. Nicht zuletzt aufgrund der Libanon-Stempel im Pass könnte das ganze etwas länger dauern.
Doch nix wars. Aha. Aus Deutschland? Erste mal in Israel? Wie lange? Stempel. Peng. Shit. Da hatte ich gar nicht mehr reagieren können. Ich wollte doch
keinen Stempel. Jetzt kann ich mir wieder nen neuen Pass besorgen oder für immer den restlichen noch fehlenden arabischen Staaten good-bye sagen.
Das kann ja auch kein Mensch ahnen dass das auf einmal so schnell geht. Bei Kollege Westi dauert es zwar an die 25 Minuten aber auch völlig fair play.
Eben den Leihwagen bei Sixt-Shlomo ausgelöst gings zu unserem vorab gebuchten Palace-Hotel in Netanya. Wie die Autobahn Richtung Norden nach Netanya sind
auch alle anderen Schnellstrassen und Autobahnen in Israel super ausgebaut. Halb 7 dann das Hotel gefunden konnte wir nach 30 Minuten Wartezeit auch schon
einchecken. Perfekt. Also erstmal bis 11h noch aufs Ohr gehauen. Mitlerweile hatte auch der aus Jordanien nach Jerusalem eingetroffene Kollege Tüte getextet
dass das einzige Spiel in der Westbank Premier League heute um 16h in Ram ausgetragen werden würde. Also änderte man seine Planungen. Ursprünglich
wollte man heute den israelischen 2.Ligisten Maccabi Herzliyya besuchen. Vor Tourbeginn war natürlich der Länderpunkt Palästina ein Thema gewesen. Nach
Ausbruch des Krieges konnte nun allerdings niemand sagen ob die Grenze bzw. die Checkpoints ins Westjordanland geöffnet seien.
Also, frisch geduscht gings über die Top-Autobahn via Tel-Aviv nach Jerusalem. Dort verfranste man sich total aufgrund der schlechten Beschilderung.
Irgendwann tauchte dann doch endlich ein Wegweiser mit "Ramallah" auf. Das Städtchen Ram liegt etwa 10 km südlich von Ramallah und beheimatet seit Oktober
2008 das neue Nationalstadion Palästinas, zu dessen Eröffnungsspiel gegen Jordanien sogar FIFA-Präsident Blatter eingeflogen kam.
Am 1.Checkpoint zur Westbank alles problemlos. Kurz in den Pass geschaut und gute Fahrt. Dass man Leihwagen aus Israel offiziell nicht mit rüber nehmen
darf interessiert hier keinen. Doch weniger hundert Meter hinterm Checkpoint plötzlich Schüsse. Direkt vor uns hatte sich jede Menge Militär und Polizei verschanzt
und schoss mit Tränengas die Strasse hinunterauf eine Gruppe Vermummter. Wir erstmal schnell aufs Gas getreten. Bloss weg hier. Eigentlich hätten wir wohl
genau diese Strasse hinunter fahren müssen, daher war nun guter Rat teuer. Also am nächsten Checkpoint mal gefragt wie wir denn wohl nach Ram kommen.
Der Typ uns dann ziemlich sinnlos geschickt. Quer durch die Berge. Strassen nur noch so breit wie ein Auto und keine Menschenseele zu sehen. Auch den nächsten
4 Checkpoints bekamen wir nur Achselzucken auf die Frage nach Ram. Die Beschilderung in Palästina ist wirklich katastrophal. Irgendwann wieder auf dem richtigen
Weg. Direkt vor Ram nochmal ein Checkpoint. Wo wollen Sie hin? Nach Ram. Das geht nicht. Zu gefährlich ohne Polizeibegleitung. Wir wollen da aber Fussball
schauen. Seit ihr Juden? Natürlich nicht. Na dann probierts mal. Viel Glück. Eine Kreuzung weiter wieder einer dieser Brennpunkte. Rechts verbarrikadierte
Polizei, links steinewerfende, vermummte Jugendliche. Steine und umgekippte Mülltonne auf der Strasse und einer der Jugendlichen holte grad mit einer Steinschleuder
aus. Scheisse, wir müssen nach links. Genau da bei den Jungs durch. Dreimal tief durchgeatmet und links abgebogen. Man wurde von den Jungs gemustert und man konnte heile
passieren. Im Zickzackkurs durch die Trümmer und Wurfgeschosse auf der Strasse geschlängelt. Puh. Herzklopfen. Zum Glück hatte wohl keiner unser isralisches Kennzeichen erkannt.
In Ram dann noch nen Palästinenser samt Kleinkind eingeladen um uns den Weg zum Stadion zu zeigen.
Auto am Stadion abgestellt mal zum Eingangstor gegangen wo sich schon eine Meute versammelt hatte die recht aufgebracht schien. Mal nen Offiziellen
angesprochen. Ja, Football heute 16h. People forbidden. Why? Too dangerous. Keine Ahnung ob das Spiel kurzfristig aufgrund der Unruhen in Ram auf "unter
Ausschluss der Öffentlichkeit" gesetzt wurde. Kurz dem Offiziellen erklärt wer wir sind und was wir machen und wir durften rein. Kurze Zeit später tauchte
auch Kollege Tüte der uns ebensoeinen gefüllt mit Getränken und Süssigkeiten wie angefodert mitgebracht hatte. Gegessen hatte man bisher noch net und aus dem
Stadion raus konnte man nun auch net mehr.
Das heutige Spiel war das letzte der Saison und beide Teams befinden sich im Mittelfeld der Tabelle. Neben Ram finden die Ligapartien noch in Stadien
in Khadar, Hebron, Jericho und Nablus statt. Einen eigenen Heimground hat somit kein Verein.
Mit der Zeit kletterte eine ganze Horde über einen Zaun und nahm auf der Gegengerade Platz. Wurde später jedoch wieder rausgeschmissen. Dieses ging immer
so weiter bis zum Kick off ca. 800 Zuschauer im Stadion war. Es hatten sich sogar 2 Fänblöcke formiert die gelegentlich auch mal ganz nett supporteten. Die "Gäste"
dabei in leichter Überzahl. Das Spiel gar net mal so übel und nach zwischenzeitlichem Ausgleich gelingt dem Heimteam noch der Siegtreffer. Abpfiff. Alles
rennt auf den Platz als wären sie grad Weltmeister geworden. Was geht denn hier ab. Dachte hier gehts um nix mehr. Währenddessen fliegen aus dem Gästeblock
die ersten Gegenstände auf den Platz. Während des Spiels hatte man schon eine 8-köpfige Gruppe in grünen Bomberjacken und mit Holzknüppeln bewaffnet gesichtet,
welche hier wohl etwas für Ordnung sorgen sollen. Jetzt hatte allerdings fast jeder so einen Knüppel in der Hand. Leute die vorher noch neben uns auf der
Tribüne gesessen hatten rannten nun mit Knüppeln auf dem Platz herum. Wie auf Kommando liefen nun alle in den Gästeblock und knüppelte auf alles ein was nicht schnell
genug das Weite suchte. Echt krasse Szenen die sich jetzt hier abspielten. Nun begannen sich die Gästespieler einzumischen worauf die ganze Meute den Gästeblock verliess
um auf die Gästespieler loszugehen. UNfassbar was hier los war. Als das Flutlicht ausgeschaltet wurde war für uns die Zeit gekommen den Ort zu verlassen.
Grad am Auto kam eine etwa 100-köpfige Gruppe die Strasse hinunter bewaffnet mit Steinen und Knüppel auf dem Weg zum Stadion. Ohoh, da wirds wohl noch weiter
abgegangen sein. Uns wurd das ganze etwas zu heiss und man suchte das Weite. Leider an einer Kreuzung falsch abgebogen verfranste man sich erneut derbe.
Hatte ich schon erwähnt dass die Beschilderung in Palästina beschissen ist?
Nach 20 Minuten Fahrt dann mal an nem Gemüseladen nach dem Weg gefragt. Ach, wir sind in Ramallah. Auch kein Ort wo man sich im Dunkeln mal verfahren möchte.
Weitere Zeit rumgeirrt dann mal nen patroullierenden Militär-Mokel mal angesprochen. Wenig später kam dann auch ein Polizeiwagen welcher uns mit Blaulicht
bis zum Checkpoint vorrausfuhr. Via Jerusalem und Tel-Aviv gings dann wieder zurück in unser Hotel in Netanya wo es dann auch recht flott ins Bett ging.
Erlebnisreicher Tag.